Sofern nicht Gründe des Kindeswohls dagegensprechen, sollen auch getrenntlebende Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben. Das Elternteil, bei dem das Kind lebt, kann unter Umständen von dem anderen Elternteil eine Vollmacht zur Ausübung des Sorgerechts erhalten.

Die Eltern teilen sich das Sorge­recht für den Sohn. Das Aufent­halts­be­stim­mungs­recht hat die Mutter, der Vater hatte dem zugestimmt. Das Kind lebt bei seiner Mutter und deren Ehemann. Von der Existenz seines biolo­gi­schen Vaters weiß der Junge nichts (mehr) und betrachtet den Mann der Mutter als seinen Vater.Die Mutter forderte 2017 das alleinige Sorge­recht. Die Vollmacht zur Ausübung des Sorge­rechts, die ihr der Vater erteilt habe, reiche nicht aus. Gegen die Entscheidung des Famili­en­ge­richts, der Mutter das alleinige Sorge­recht zu übertragen, legte der Vater erfolg­reich Beschwerde ein.

Sorgerecht: Ist Vollmacht ausreichend?
Der Antrag der Mutter ist unbegründet, so das Oberlandesgericht Frankfurt. Die Vollmacht des biologischen Vaters sei ausreichend. Es gebe auch keine Anhaltpunkte dafür, dass der Vater diese widerrufen würde.

Alleiniges Sorgerecht oder Handlungsvollmacht?
In der Tat bestehe zwischen den Eltern ein tiefgreifender Kommunikationskonflikt, der gemeinsame Entscheidungen kaum möglich erscheinen lasse. Ursache des Konflikts sei insbesondere der Umstand, dass die Mutter ihrem Sohn nicht sagen wolle, wer sein leiblicher Vater sei. Der Konflikt der Eltern gehe trotzdem aber nicht soweit, dass sie Entscheidungen träfen, die sich widersprächen oder das Kindeswohl beeinträchtigten. Daher reiche dieser Kommunikationskonflikt als Grund für eine Übertragung des Sorgerechts nicht aus. Er rechtfertige nicht den damit verbundenen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Sorgerecht des Vaters.

Der Vater mische sich nicht aktiv in die Erziehung des gemein­samen Sohns ein, ziehe also nicht etwa das Handeln der Mutter offen in Zweifel oder hinter­treibe es sogar. Er verhalte sich passiv, aus Sicht der Mutter so passiv, dass er dadurch bestimmte Entschei­dungen und deren Umsetzung verhindert habe. Das aller­dings konnte das Gericht nicht nachvoll­ziehen. Die Mutter sei ausrei­chend bevollmächtigt, um für ihren Sohn im Rahmen des elter­lichen Sorge­rechts tätig werden zu können.

Oberlandesgericht Frankfurt am 27. Februar 2019 (AZ: 8 UF 61/18)

Quelle: „Famili­enanwälte des Deutschen Anwalt­vereins (DAV)“.

Um nach einer Trennung den Umgang der Eltern mit ihren Kindern zu regeln, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Klassisch war bisher der Wechsel an den Wochenenden, mit vielleicht einigen Tagen in der Woche und den hälftigen Ferien. Das Wechselmodell konnte meist nur einvernehmlich festgelegt werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgestellt, dass dies nicht so sein muss. Demnach kann ein paritätisches Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden. Voraussetzung ist allerdings eine hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern.

Kooperationsfähigkeit für Wechselmodell
In dem vom höchsten Zivilgericht in Deutschland entschiedenen Fall forderte ein Vater das paritätische Wechselmodell. Bisher war sein Sohn alle 14 Tage am Wochenende bei ihm. Der Ferienumgang wurde immer einvernehmlich festgelegt. Die Mutter wollte das Wechselmodell nicht. Das Amtsgericht wies den Antrag des Vaters zurück.
Letztlich bekam er vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht.

BGH: Kindeswohl für Umgangsregelung entscheidend
Für den BGH war klar, dass ein Gericht die Regelung treffen muss, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die Richter führten ausdrücklich aus, dass es keine gesetzliche Festlegung der Kinderbetreuung auf das Residenzmodell gibt. Ob das Wechselmodell dem Kindeswohl am besten entspricht, wird anhand von folgenden Kriterien beurteilt:

  • Erziehungseignung der Eltern
  • Bindungen des Kinds
  • Prinzipien der Förderung
  • Kontinuität und Kindeswillen

Nicht notwendig ist, dass beide Eltern dem zustimmen. Es genügt, wenn die Eltern über eine ausreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit verfügen. Das Wechselmodell darf allerdings nicht angeordnet werden, um diese Fähigkeiten zu erreichen. Bestehen diese aber, kann es auch gegen den Willen eines Elternteils festgelegt werden.

BGH am 1. Februar 2017 (AZ: XII ZB 601/15)

Quelle: „Familienanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV)“.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27.03.2019 – Az.: XII ZB 345/18 – entschieden, dass

  1. Sowohl der personensorgeberechtigte Elternteil als auch der umgangsberechtigte Elternteil grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses haben, soweit
  2. der berechtigte Elternteil den Kinderreisepass für die Ausübung seines Rechts, z.B. Umgangsrechts, benötigt und
  3. keine berechtigte Besorgnis besteht, dass der die Herausgabe begehrende Elternteil mit Hilfe des Kinderreisepasses seine elterlichen Befugnisse überschreiten wird, etwa durch die Entführung des Kindes ins Ausland.

Der BGH hat ausgeführt, dass nach § 1684 Abs. 2 BGB beide Elternteile alles zu unterlassen haben, was geeignet wäre, das Zusammensein des anderen Elternteils mit dem Kind zu erschweren. Dazu gehört u.a. die vielfach von den zerstrittenen Eltern übersehene Verpflichtung das Kind für den Umgang mit geeigneter Kleidung, gegebenenfalls Schulsachen sowie eben Reisedokumenten auszustatten, sofern diese für die Ausübung des Umgangs benötigt werden.

Für einen Kindereisepass gilt es also dann, wenn der umgangsberechtigte Elternteil mit dem Kind eine Reise, z.B. ins Ausland, unternehmen will.

Der Bundesgerichtshof hat einen Anspruch auf Herausgabe jedoch für den Fall verneint, wenn eine begründete Besorgnis besteht, dass mit Hilfe der Reisedokumente der umgangsberechtigte Elternteil seine elterlichen Befugnisse überschreiten wird. Dabei wurde explizit der Fall einer konkret befürchteten Entführung des Kindes ins Ausland genannt.  

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss einen langen Streit entschieden und Klarheit geschaffen, woher sich ein entsprechender Herausgabeanspruch ergeben könnte. Dabei stützte er diesen in analoger Anwendung auf die §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB.