Nicht selten kommt es bei getrenntlebenden Eltern zum Streit, wenn Vater oder Mutter mit dem bei ihm lebenden Kind umziehen möchte. Das Gericht kann dann das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil übertragen – und entscheiden, dass der es erst zu einem späteren Zeitpunkt ausüben darf.
Die geschiedenen Eltern teilen sich das Sorgerecht für die beiden Söhne. Der ältere Bruder lebt beim Vater, der jüngere bei der Mutter. Streit gab es um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für diesen jüngeren Sohn, als die Mutter entschied, mit dem Kind zusammen zu ihrem Partner zu ziehen. Der lebt über 200 Kilometer entfernt.
Damit war der Vater nicht einverstanden. Beide Elternteile beantragten die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich.
Das Gericht entschied, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: Sie sollte erst dann über den Aufenthalt ihres zur Zeit der Entscheidung neunjährigen Sohns entscheiden dürfen, wenn dieser die Grundschule abgeschlossen haben würde.
Umzug: Wer entscheidet über gewöhnlichen Aufenthalt?
Die
Richter wiesen ausdrücklich darauf hin, dass es nicht nur um eine
Entscheidung über den einmaligen Umzug gehe, sondern letztlich um den
dauerhaften gewöhnlichen Aufenthalt des Jungen. Der Vater setze sich
nicht nur gegen dessen Umzug zur Wehr, sondern fordere für den Fall des
Umzugs den gewöhnlichen Aufenthalt seines Sohns bei ihm.
Bei seiner Entscheidung legte das Gericht zugrunde, dass beide Eltern erziehungsgeeignet seien und der Junge zu beiden die gleiche Bindung und Neigung habe. Dem Willen des Jungen könne keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Es sei deutlich geworden, dass er die Konsequenzen eines Umzugs über eine Entfernung von mehr als 200 Kilometer noch nicht ansatzweise abschätzen könne.
Die Mutter sei die Hauptbezugsperson für ihren Sohn. Dieser Aspekt habe unter Kontinuitätsgesichtspunkten eine hohe Bedeutung. Zwar müsse man auch das soziale Umfeld eines Kinds beachten. Einen Umzug im Kindesalter erleben jedoch viele Kinder und über einen längeren Zeitraum gesehen sei er für die weitere Entwicklung grundsätzlich nicht nachteilig.
Umzug erst nach Abschluss der Grundschule
Kurzfristige
negative Folgen eines Umzugs für die Entwicklung eines Kinds seien
allerdings möglichst gering zu halten. Daher sei es besser, wenn das
Kind die Grundschule noch in seiner gewohnten Umgebung und der ihm
vertrauten Schule beende. Daher müsse das Recht der Mutter, mit ihrem
neuen Partner zusammenzuziehen, vorübergehend zurücktreten. Nach dem
Ende der Grundschulzeit stehe für den Jungen dann ohnehin ein Umbruch
an.
Die Befürchtungen des Vaters, dass der Umgang mit dem Kind nach einem Umzug einschlafen werde, beeindruckte das Gericht dagegen nicht. Ein solcher Umgang sei auch über eine Entfernung von reichlich 200 Kilometer möglich. Bald sei der Sohn alt genug, um die Strecke alleine mit einem der nahezu stündlich verkehrenden durchgehenden Züge zurückzulegen.
Oberlandesgericht Koblenz am 14. November 2018 (AZ: 13 UF 413/18)
Quelle: „Familienanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV)“.
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