Ein mietfreies Wohnen in einer Immobilie, die im gemeinsamen Eigentum der Eheleute oder im Alleineigentum eines Ehegatten steht, ist als Gebrauchsvorteil nach Abzug der allgemeinen Grundstückskosten sowie nach Abzug der Zins- und Tilgungsleistungen beim Bedarf der Eheleute – also bei den ehelichen Lebensverhältnissen – zu berücksichtigen (vgl.BGH FamRZ 2007, 879 und 2008,963) Als zusätzliches Einkommen gilt daher der Betrag, um den der Immobilieneigentümer billiger wohnt als der Mieter (vgl. BGH FamRZ 2007, 879 und 2010,1633). Dies gilt auch bei Nießbrauch (BGH FamRZ 2010, 1633) oder einem Wohnrecht (BGH FamRZ 2014,460)
Beim nachehelichen Unterhalt ist als Wohnwert regelmäßig die objektive Marktmiete anzusetzen (BGH FamRZ 1998, 87; 2000, 950; 2008, 963; 2009, 23) Ausnahmen können bei Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der vollen Nutzung der Wohnfläche gemäß § 242 BGB geltend gemacht werden, ob allerdings mit Erfolg, ist im Regelfall zu bezweifeln, da eine aufgedrängte Bereicherung zumindest nach Rechtskraft der Ehescheidung wohl kaum gegeben sein dürfte.
Während des 1. Trennungsjahres und gegebenenfalls auch noch später ist der Wohnwert zunächst für die Bedarfsermittlung nur mit einem angemessenen Wert unter Berücksichtigung des durch den Auszug des Ehepartners entstehenden “toten Kapitals” anzusetzen ( BGH FamRZ 1998,899;2003,1179;2007,879;2009,1300)
Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nach realistischer Einschätzung nicht mehr zu erwarten, ist gemäß der Auffassung des BGH in Änderung seiner früheren Rechtsprechung (BGH FamRZ 2000,351 auch bei einer Trennungszeit von mehr als 3 Jahren) durch Urteil vom 05.03.2008 auch in der Trennungszeit die Marktmiete anzusetzen (BGH FamRZ 2008,963; 2009,23) Hierfür bedarf es allerdings konkreter Anhaltspunkte. Das reine Abstellen auf den Ablauf des Trennungsjahres lehnt der BGH ausdrücklich ab (BGH FamRZ 2013,191)
Von einem endgültigen Scheitern der Ehe ist spätestens ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens (BGH FamRZ 2008,963) auszugehen. Wurde nach der Trennung zwischen den Eheleuten vorher ein Ehevertrag mit Gütertrennung oder eine sonstige umfassende Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen, dokumentiert dies bereits das endgültige Scheitern der Ehe, ebenso wenn die gemeinsame Immobilie an Dritte oder an einen Ehegatten verkauft wurde (BGH FamRZ 2008,963)
Der angemessene Wohnwert richtet sich nach dem Mietzins einer nach dem Auszug des Partners entsprechend den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen kleineren Wohnung (BGH FamRZ 1998,899; 2007,879)
Den Ansatz fester Werte als pauschalierten Wohnbedarf (beispielsweise alleinstehender Personen, so beispielsweise in den Leitlinien des OLG Frankfurt bis 2013) lehnt der BGH ausdrücklich ab, diese können allenfalls als Mindestwerte herangezogen werden (BGH FamRZ 2013,191)
Der Wert wird regelmäßig unter Reduzierung der Marktmiete zu schätzen sein, das Familiengericht oder des OLG-Senat sind zur Schätzung berechtigt, soweit die wertbildenden Faktoren bei der Schätzung berücksichtigt werden (BGH FamRZ 2008,968)
Kriterien sind die Miete des Ausziehenden, eine um 1/3 gekürzte Marktmiete der bislang bewohnten Wohnung und die Einkommensverhältnisse der Parteien (BGH FamRZ 1998,899; Arbeitskreis 3 des FRamiliengerichtstages 1999; Wendl/Gerhardt § 1 Rn 486)
Für die Berechnung des Kindesunterhaltes ergeben sich auf Seite des Pflichtigen keine Besonderheiten. Beim Kind liegt zwar ein Wohnvorteil in Höhe von 20% des Tabellenbetrages vor, jedoch wird der Kindesunterhalt nicht gekürzt, sondern es erhöht sich nur der zu berücksichtigende Wohnwert beim betreuenden Elternteil (BGH FamRZ 2013,191; 1992,423)
Während beim Ehegattenunterhalt der Wohnwert also bis zum endgültigen Scheitern der Ehe nicht mit dem objektiven, sondern lediglich mit dem angemessenen (subjektiven) Wert das Einkommen erhöht, ist im Rahmen des Kindesunterhaltes in jedem Zeitraum der objektive Wohnwert einzustellen, falls andernfalls nicht wenigstens der Mindestunterhalt gezahlt werden kann (BGH FamRZ 2014,923) Ob dies auch dann gilt, wenn zwar der Mindestunterhalt bezahlt wird, es aber um die Einstufung in eine höhere Gruppe der Düsseldorfer Tabelle geht, lässt der BGH offen.
Verbrauchsunabhängige Nebenkosten (Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Haushaftpflicht) stellen keine Abzugsposten dar, da sie auf den Mieter umlegbar sind und den Hauseigentümer nicht als solchen belasten ( BGH FamRZ 2009,1300)
Instandhaltungskosten sind abzugsfähig, sofern es sich um notwendigen Erhaltungsaufwand handelt, nicht aber bei wertsteigernden Ausbauten oder Modernisierungen (BGH 2000,351)
Bei Eigentumswohnungen ist wegen der allgemeinen Verpflichtung aus § 21 Abs. 5 WEG die geschuldete Instandhaltungsrücklage abzugsfähig (BGH FamRZ 2009,1300 für den Ehegattenunterhalt; 2014, 538 für den Elternunterhalt), bei Einzelobjekten dagegen nur konkret angefallene Kosten oder Rücklagen für konkrete unaufschiebbare Maßnahmen (BGH FamRZ 2000,351,354)
Im Rahmen des Elternunterhaltes gestattet der BGH (Beschluss vom 18.01.2017 XII ZB 118/16 = FamRZ 2017,519) den Abzug von Zins- und Tilgungsleistungen auf einen Kredit für die selbstgenutzte Immobilie bis zur Höhe des subjektiven Wohnwertes. Überschießende Tilgungsleistungen unterfallen der zusätzlichen Altersvorsorge ( 5% vom Brutto beim Elternunterhalt). Der BGH führt dazu aus, dass es an einer Vermögensbildung “zu Lasten” des Unterhaltsberechtigten fehlt, wenn und soweit den Tilgungsanteilen noch ein einkommenserhöhender Wohnvorteil auf Seiten des Unterhaltspflichtigen gegenübersteht. Denn ohne die Zins- und Tilgungsleistungen gäbe es den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht. Daraus folge laut BGH, dass die über den Zinsanteil hinausgehenden Tilgungsleistungen bis zur Höhe des ersparten Wohnwertes anzurechnen seien, ohne dass dies die Befugnis des Pflichtigen zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert (so auch Hauß in Anm. zu BGH FamRZ 2017,519)
Die Begründung weist darauf hin, dass der BGH die dargestellten Grundsätze auf die anderen Unterhaltsbeziehungen (Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt) übertragen wird, vielleicht allenfalls mit Modifizierungen im Bereich des Mangelfalls (insbesondere beim Kindesunterhalt).
Hier lassen sich beispielsweise Lösungen laut Joachim Maier, Richter am OLG Stuttgart dahingehend vorstellen, dass vom Wohnvorteil neben den Zinszahlungen noch Tilgungsleistungen in Höhe der Mindesttilgung ( idR 1% der Darlehensumme) in Abzug gebracht werden, zumal eine zusätzliche Altersvorsorge dem Pflichtigen im Mangelfall insoweit nicht zugestanden wird (BGH FamRZ 2013,616, so OLG -Richter Joachim Maier in seinem Vortrag zum Wohnvorteil beim Unterhalt am 18.10.2019 im SIS, Schwetzingen)
Zur Frage der Anwendung der Rechtsprechung des BGH auf andere Unterhaltsbeziehungen gibt es bisher nur wenige veröffentlichte Entscheidungen.
Im Rahmen des Kindesunterhaltes hat sich beim Volljährigenunterhalt der 16. Senat des OLG Stuttgart für eine entsprechende Anwendung ausgesprochen und auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwertes angerechnet (vgl. OLG Stuttgart Beschluss vom 03.08.2017 – 16 UF 118/17 – Rz 21, FamRZ 2018,27)
Zuletzt hat dies in gleicher Weise ebenfalls beim Volljährigenunterhalt der Außensenat in Kassel des OLG Frankfurt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidunng des BGH vom 18.01.2017 XII ZB 118/16 – angenommen (OLG Frankfurt Beschluss vom 04.04.2018 – 2 UF 135/17 – Rz. 44, FamRZ 2018,1314, die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht eingelegt); tendenziell für den Trennungsunterhalt ebenso OLG Brandenburg Beschluss vom 25.09.2017 – 10 WF 109/17 FamRZ 2018,1098)
Gegen eine Berücksichtigung von Tilgungsleistungen im Ehegattenunterhaltsverhältnis spricht sich das OLG Koblenz aus, ohne allerdings auf die BGH – Entscheidung zum Elternunterhalt einzugehen (OLG Koblenz Beschluss vom 17.07.2017 – 13 WF 561,17 -Rz.22 FamRZ 2018, 259)
Allerdings führt der BGH selbst in einer Entscheidung vom 04.07.2108 zum nachehelichen Unterhalt (BGH Beschluss vom 04.07.2018 – XII ZB 448/17 – Rz. 31 FamRZ 2018, 1506,1509 ) aus:
“die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss BGHZ 213,288 )= FamRZ 2017, 519) im Zusammenhang mit dem angerechneten Wohnvorteil die Berücksichtigung auch der Tilgungsleistungen des Antragsgegners in Betracht zu ziehen.”
Trotzdem hat das OLG Frankfurt in seiner neuesten Entscheidung (OLG Frankfurt, FamRZ 2019, 1322 beim Ehegattenunterhalt den Abzug von Tilgungsleistungen nicht zugelassen.
Es bleibt spannend, wie sich die OLG-Rechtsprechung zu dieser Thematik abschließend entscheiden wird.